Wenn Frauen Frauen ausgrenzen

Aktuell entbrennt in der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN eine Diskussion über einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Transsexuellengesetz und Einführung des Selbstbestimmungsgesetz (SelbstBestG). Die Partei, welche sich gerne selbst auf die Fahnen schreibt, die Rechte und Interessen von geschlechtsvarianten (transsexuellen, transidenten, transgender, nicht-binäre) Menschen zu vertreten und für deren Anerkennung zu kämpfen scheint nicht damit gerechnet zu haben, dass sich in ihren Kreisen einige „Parteifreundinnen“ befinden, die bei der rechtlichen Anerkennung, insbesondere von transsexuellen Frauen die Grenzen der Selbstbestimmung überschritten sehen.

Die Diskussion, welche überwiegend in den sozialen Medien ausgetragen werden, haben mittlerweile die respektvolle, sachliche und wissenschaftlich fundierte Basis längst verlassen. Auf die teilweise kruden Horrorszenarien, welche an die Wand gemalt werden, möchte ich hier nicht eingehen und diese nur auszugsweise aufzeigen:

Mit einem selbstbestimmten rechtlichen Geschlechtseintrag würden Männer ihren Personenstand in weiblich ändern um…

  • …ungestraft in Damenumkleiden und Saunen eindringen zu können
  • …damit religiöse Frauen aus Frauenräumen fernzuhalten
  • …in Frauenhäuser eindringen zu können um dort weiter Gewalt auf Frauen auszuüben
  • …nach einer Verurteilung (z.B. wegen einer Vergewaltigung) in ein Frauengefängnis zu kommen um dort weiter Frauen zu vergewaltigen
  • …im Frauensport bessere Chancen zu haben
  • …bei den Grünen bessere Listenpositionen bei Wahlen zu erhalten
  • …Quotenregelungen für Frauen zu umgehen
  • …Gelder zur Frauenförderung abzugreifen

Letztendlich würde das Selbstbestimmungsgesetz aber nur dazu dienen, dass für „Männern“ die endgültige Verdrängung von Frauen möglich werde (Engelken 2020, „Wo bleibt die Debatte? Selbstbestimmungsgesetz und Fairplay für Frauen“).

Für die Beibehaltung eines langwierigen und mehrstufigen Verfahrens (vgl. Transsexuellengesetz) dienen Argumente, dass damit Männer abgehalten werden, aus den vorgenannten niederen Beweggründen ihren Geschlechtseintrag in weiblich zu ändern. Vielleicht haben diese Frauen (welche transsexuelle Frauen absprechen, Frauen zu sein) unser Rechtssystem nicht wirklich verstanden. Nur weil es potentiell möglich sein könnte, dass eine Person eine Straftat begehen kann, ist es nicht verhältnismäßig, andere in ihren Grundrechten einzuschränken oder sie pauschal – nur aufgrund einer Eigenschaft (hier: transsexuell zu sein) zu kriminalisieren. Aber genau dies erfolgt durch diese Frauen (die transsexuellen Frauen absprechen, Frauen zu sein):

Transsexuelle Frauen werden kriminalisert.

Die aktuelle Pandemie zeigt uns deutlich, wie unsere Gerichte (und ich hoffe doch sehr, dass diese Frauen nicht unser Rechts- und Justizsystem in Frage stellen wollen, denn dann bewegen wir uns auf einer ganz anderen Ebene) die persönlichen Freiheiten über den Infektionsschutz stellen.

Das berechtigte Interesse, Frauen vor sexuellen Übergriffen durch Männer zu schützen wird durch diese ideologische Aufladung auf dem Rücken einer in Deutschland und weltweit noch immer stark marginalisierten und diskriminierten Minderheit ausgetragen: transsexuelle Frauen. Man – sorry, natürlich Frau – spricht von Transgenderideologien oder Transgenderkonzepten.

Indem das Transgenderkonzept die Kategorie ‚Frau‘ und damit Frauenrechte an eine im Gehirn wahrgenommene „Geschlechtsidentität“ knüpft, anstatt an das biologische Geschlecht, ermöglicht es Männern, die angeben, eine weibliche „Geschlechtsidentität“ zu besitzen, sich gesetzlich, politisch und gesellschaftlich zur Kategorie ‚Frau‘ zu zählen. 

Engelken 2020, „Frauenrechte – für wen gültig?“

Die Autorin spricht von einer „wahrgenommenen ‚Geschlechtsidentität'“„. Nimmt man sich zunächst die Definition des Begriffs Wahrnehmung oder auch Perzeption zur Hand (Gerring 2016), so stellt man fest, dass es sich hierbei um einen Prozess handelt, bei dem ein Lebewesen (hier: Mensch) Objekte und Ereignisse mit seinen Sinnen aufnimmt, versteht, dem Geschehenen zuordnet und sich auf eine Reaktion vorbereitet. Es ist also das phänomenologisch (oder: erlebte) Ergebnis dieser Prozesse. Über die Kritik am Begriff Geschlechtsidentität verweise ich auf den namensgleichen Beitrag in diesem Blog.

Die Frauen, welche Kritik am Selbstbestimmungsgesetz üben, beziehen sich auch gerne auf ein sogenanntes „biologisches Geschlecht“. Auch hierzu finden sich hier im Blog zwei Beiträge (Varianten der Geschlechtsentwicklung und Varianten der Geschlechtsentwicklung 2.

Wenn die Selbstidentifikation als Frau reicht, um den Personenstand wechseln zu können und wenn der Zugang zu Frauenräumen nicht an das biologische Geschlecht, sondern an die Geschlechtsidentität geknüpft wird, geht die Tür zum Missbrauch auf.

Engelken 2020, „Wo bleibt die Debatte? Selbstbestimmungsgesetz und Fairplay für Frauen“

Alles in allem kann man feststellen, dass diese Frauen (die transsexuellen Frauen das Frau-Sein absprechen) Transsexualität nicht verstanden haben. OK, wahrscheinlich wollen Sie es auch nicht verstehen, es würde einfach nicht ins ideologische Weltbild passen. Das gefährliche an dieser Diskussion ist, dass sich diese Frauen in ihrer Argumentation dort wiederfinden, wo sich auch die „Gegner“ demokratischer und freiheitlicher Grundordnungen bewegen.

Zu sagen, dass transsexuelle Frauen keine Frauen wären hat dieselbe ideologische Grundlage wie zu behaupten, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe keine Deutschen sein können.