von Jessica Gerhardt
„Wie der schon ausschaut, da braucht man sich nicht zu wundern, wenn…“
Einmal Hand aufs Herz, ein jeder von uns hat sich in der einen oder anderen Situation so etwas schon mal gedacht, nicht wahr? Vorurteile; wir alle haben sie, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Sie sind Fluch und Segen zugleich. Wir brauchen sie um zu überleben, doch richten wir mit ihnen auch sehr viel Schaden an, und noch mehr Schaden richten sie für uns an, wenn wir selbst Opfer von Vorurteilen werden.
Doch warum haben wir überhaupt Vorurteile? Vorurteile sind wichtig um in bestimmten Situationen Maßnahmen ergreifen zu können, um eine eventuelle Bedrohung im Vorfeld abzuwehren. Wenn mir eine Gruppe von angetrunkenen Männern entgegen kommt, deren Kleidung für mich auf eine diverse Gesinnung schließt, dann ist es vielleicht nur ein Vorurteil, dass es sich hierbei um Schlägertypen handelt. Nun habe ich die Optionen, geradeaus durch diese lautstarke Gruppe zu laufen, um zu überprüfen, ob ich mit meinem Vorurteil nicht doch zu voreingenommen bin, oder meinem Bauchgefühl zu vertrauen und die Straßenseite zu wechseln. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, doch ich wechsle in derartigen Situationen die Straßenseite. Wären wir frei von Vorurteilen, dann müssten wir immer erst abwarten, was passiert, um uns dann eine entsprechende unvoreingenommene Meinung zu bilden. Das kann buchstäblich ins Auge gehen.
Dennoch sollten wir stets im Hinterkopf behalten, dass ein Großteil unserer Vorurteile die unbewusst in uns schlummern, nicht der Realität entsprechen. Viele Vorurteile eignen wir uns durch soziale Konditionierung an. Vorurteile können für uns geistige Mauern sein, die uns von unseren Mitmenschen trennen. Wir neigen dazu Mauern um uns aufzubauen, zum Schutz vor anderen. Doch wer sich selber einmauert ist niemals frei. Oftmals lehnen wir andere Menschen ab, nur weil diese ein Merkmal haben, dem wir bestimmte Charaktereigenschaften zuweisen. Dadurch verlieren wir unseren Blick für die Details, für das Individuelle, für das, was uns als Menschen ausmacht. Können wir diesen Kreislauf jemals durchbrechen?
Es ist eine schmale Gratwanderung in unserem Geiste, mit dem wir anderen Menschen begegnen. Wir sollten unsere eigenen Annahmen immer wieder hinterfragen, jedoch dabei auch weiterhin mit offenen Augen durch die Welt schreiten. Frei von Vorurteilen werden wir niemals sein, doch haben wir die Freiheit geistige Mauern einzureißen um unsere geistige Insel zu verlassen und neue Ufer zu entdecken; um andere Menschen mit jener Aufrichtigkeit zu begegnen, welche wir auch bei anderen für uns selbst einfordern; um Gemeinsamkeiten zu finden, wo andere nur die Unterschiede wahrhaben wollen.