Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 16/72) vom 11.10.1978 wurde der Gesetzgeber dazu aufgefordert, eine Möglichkeit zu schaffen, um transsexuellen Menschen eine Möglichkeit zu schaffen, den Geschlechtseintrag im Geburtsregister zu ändern, sofern ein „irreversibler Fall von Transsexualität“ vorliege. Daraufhin wurde das Transsexuellengesetz zum 01.01.1981 in Kraft gesetzt und antragstellende Personen konnten ihren Vorname und Geschlechtseintrag im Geburtsregister nachträglich ändern lassen.
Die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von transsexuellen Menschen wird in Deutschland in einem eigenen Gesetz geregelt. Es stammt aus dem Jahr 1981 und nennt sich
„Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung
der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG)“.
Das ursprüngliche Gesetz von 1981 sah zwei Wege vor:
„Kleine Lösung“
Die sog. „kleine Lösung“ sah vor, dass lediglich der Vorname der antragstellenden Person geändert wird. Eine Änderung des Personenstands (Geschlechtseintrag) im Geburtsregister erfolgt nicht. Die antragstellende Person „verbleibt“ im Zuweisungsgeschlecht bei Geburt.
„Große Lösung“
Um den Geschlechtseintrag (männlich bzw. weiblich) im Geburtsregister zu ändern war es für antragstellende Personen bis zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 3295/07 vom 01.11.2011) zwingend notwendig, operative Maßnahmen zur Veränderung der äußeren Geschlechtsmerkmale und damit einer dauerhaften Unfruchtbarkeit durchführen zu lassen.
Bereits mehre Passagen des Transsexuellengesetzes wurden vom Bundesverfassungsgericht (BVerG) als verfassungswidrig erklärt und deren Anwendbarkeit ausgesetzt. So war bis zum Beschluss des BVerG vom 27.05.2008 (1 BvL 10/05) eine „Zwangssterilisation“ (dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit) der betroffenen Personen zur Vornamens- und Personenstandsänderung erforderlich. Auch den Zwang, zur genitalangleichenden Operation hat das Verfassungsgericht erst 2011 als verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber bereits mehrfach zur Neuregelung des Transsexuellengesetzes aufgefordert. Jedoch hat sich die Politik bisher noch nicht an eine Revision, Änderung oder Abschaffung des Gesetzes gewagt. Betroffene Menschen in Deutschland werden somit rechtlich noch immer wie in den 1980er Jahren behandelt.
Das Transsexuellengesetz schreibt in § 4 ein gerichtliches Verfahren vor:
(1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.
(3) Das Gericht darf einem Antrag nach § 1 nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird. (4) Gegen die Entscheidung, durch die einem Antrag nach § 1 stattgegeben wird, steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu. Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam.
Der Ablauf des Verfahrens
In der Regel werden vom Amtsgericht Psycholog*innen und/oder Psychiater*innen mit der Begutachtung beauftragt. Das Transsexuellengesetz (§4 Abs. (3)) schreibt hierzu vor, dass Sachverständigen beauftragt werden müssen, „die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind“. Nicht wenige transgeschlechtliche Menschen berichten, dass sie beim Begutachtungsprozess psychische Pathologisierung oder intime Fragen zu Sexualpraktiken erfahren mussten. Das Bundesverfassungsgericht hat die teilweise noch vorhandene Verfahrenspraxis (Pathologisierung der antragstellenden Person) mancher Gutachter*innen kritisiert und als nicht zulässig eingestuft.
Mit dem Beschluss vom 22.02.2017 (1 BvR 747/17) wurde in Absatz 12 wie folgt entschieden:
„a) Die Begutachtung nach § 4 Abs. 3 TSG darf sich nur auf solche Aspekte beziehen, die für die sachliche Aufklärung der in § 1 Abs. 1 TSG normierten Voraussetzungen des Namens- und Personenstandswechsels relevant sind. Wenn sich - wie die beschwerdeführende Person unter Berufung auf empirische Studien geltend macht - Begutachtungen nach § 4 Abs. 3 TSG in der Praxis auf Informationen erstrecken sollten, die nach heute geltenden diagnostischen Kriterien zur Feststellung der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 TSG nicht relevant sind, ist dies durch § 4 Abs. 3 TSG nicht gedeckt. Vor allem wegen des regelmäßig intimen Charakters der Fragen, die in der Begutachtung nach § 4 Abs. 3 TSG gestellt werden, beeinträchtigt dies die Grundrechte der Betroffenen. Die Gerichte haben daher bei der Erteilung des Gutachtenauftrags und bei der Verwertung des Gutachtens insbesondere darauf zu achten, dass die Betroffenen nicht der Begutachtung hinsichtlich solcher Fragen ausgesetzt sind, die für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TSG keine Bedeutung haben. Außerdem darf das Gutachtenverfahren nach § 4 Abs. 3 TSG nicht dazu genutzt werden, die Betroffenen zu einer therapeutischen Behandlung ihrer (als vermeintliche Krankheit begriffenen) Transsexualität hinzuführen.“
Die Kosten für die Begutachtung hat i.d.R. die antragstellende Person selbst zu bezahlen. Die Vergütung der Gutachter*innen richtet sich nach § 9 JVEG Anlage 1 (Honorargruppe M3) und beträgt aktuell € 120,00 pro Stunde (Stand: Januar 2024). Informationen zu den Kosten des Verfahrens sind in dem Beitrag „Was kostet ein Verfahren nach dem Transsexuellengesetz?“ erläutert.
Zahlreiche Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts haben vom ursprünglichen TSG aus dem Jahr 1981 nur noch ein Gerippe übriggelassen und zahlreiche Passagen des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Personenstandsänderung für die „große Lösung“ verstößt gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs, 1 GG
Eine Vornamensänderung wurde unwirksam, wenn die antragstellende Person heiratet. Diese Regelung verletzt das grundgesetzlich geschützte Namensrecht und das Recht auf Schutz seiner Intimsphäre. Dieser Paragraf ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt.
Die „Zwangsscheidung“ verheirateter transsexueller Menschen wurde ausgesetzt. Mit dem „Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes“ vom 17.07.2009 wurde § 8 Abs 1 Nr. 2 TSG aufgehoben.
Der Operationszwang bzw. die dauerhafte Unfruchtbarkeit („unfreiwillige Unfruchtbarkeitsmachung“) verstößt gegen Artikel 1 Abs. 1 GG und Artikel 2 Abs. 1 und Abs. 2 des GG. Mit diesem Beschluss unterscheiden sich die Verfahrensschritte der „großen Lösung“ nicht mehr von der „kleinen Lösung“.
Andere Beschlüsse, die mittelbar oder unmittelbar das TSG betreffen:
Beschluss 2 BvR 1833/95 (15.08.1996)
Bereits nach der Änderung des Vornamens („kleine Lösung“, ohne genitalangleichende Operation) ist die Person entsprechend anzusprechen und anzuschreiben.
Beschluss 1 BvR 747/17 (17.10.2017)
Gutachten nach dem TSG sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
Aufgrund der zahlreichen Beschlüsse der höchsten Gerichtsbarkeit in Deutschland besteht zwischen „kleiner und großer Lösung“ im Verfahren heute kein Unterschied mehr.